Jesus der König. Vorweihnachtliche Gedanken über einen Hoheitstitel Jesu, dessen didaktisches Potential unterschätzt wird
Von wie vielen Königen erzählen die biblischen Weihnachtsgeschichten? Von drei Königen? Richtig. Und nicht wenige werden auch die Namen kennen: Caspar, Melchior und Balthasar. Die Antwort ist falsch und richtig zugleich. Die Evangelisten Matthäus und Lukas erzählen in der Tat von drei Königen. Aber ihre Namen sind Herodes, Jesus und David.
Aber der Reihe nach: Die Sterndeuter aus dem mittleren Osten sind gelehrte Astronomen und Astrologen. Erst seit dem Mittelalter tragen sie Königskronen. Sie haben bei ihren Beobachtungen des Nachthimmels einen neuen Stern entdeckt, der auf die Geburt eines besonderen Königs hindeuten. Sie reisen nach Judäa, weil sie seine Geburt dort vermuten. Dort treffen sie König Herodes an. Sie fragen ihn: Wo ist der neugeborene König der Juden?
Herodes ist also der erste der drei Könige. Was Matthäus in seiner Weihnachtsgeschichte erzählt, passt gut zu dem Bild, das die historische Forschung von ihm zeichnet. Nichts fürchtete er mehr, als dass ein neuer König in seinem Land geboren werden könnte. Aufgeschreckt von den Sterndeutern beauftragt er die Religionsgelehrten seines Hofstaats nachzuforschen, ob in den Schriften des Alten Testaments von der Geburt eines Königs die Rede ist. Die Schriftkundigen werden fündig:
Du aber, Betlehem, du bist zu klein, um zu den Landstädten Judäas zu zählen. Doch aus deiner Mitte soll einer kommen, der Herrscher sein wird in Israel. (Micha 5,1) |
Der zweite König der biblischen Weihnachtsgeschichte wird also in Bethlehem geboren. Es ist das Kind in der Krippe. Sein Königtum unterscheidet sich allerdings sehr von dem des Herodes. Dazu gleich mehr.
Auch der dritte König ist in Bethlehem geboren. Sein Thron steht aber schon lange nicht mehr. Aber der Name dieses Königs aus grauer Vorzeit fällt immer dann, wenn Israel an die guten alten Zeiten denkt. Die Rede ist vom König David
Der Evangelist Lukas erzählt nicht von Sterndeutern, sondern von Engeln, Hirten und einer Herberge. Doch die drei Könige Herodes, David und Jesus kommen auch bei ihm vor. Er beginnt sein Buch (nach der Vorrede) mit dem Satz:
Zu der Zeit, als Herodes König von Judäa war, lebte in Judäa ein Priester. (Lukas 1,5) |
Damit ist Herodes eingeführt. Und wenig später nennt er auch die anderen beiden Könige:
Da sagte der Engel zu Maria: „Fürchte dich nicht, Maria. Gott schenkt dir seine Gnade. Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesus geben. … Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vorfahren David geben. Er wird für immer als König herrschen über die Nachkommen Jakobs. Seine Herrschaft wird niemals aufhören.“ (Lukas 1,30-33) |
Jesus, ein König.
Schülerinnen und Schüler jeden Alters wissen, was ein König ist. Es ist unübersehbar, dass sich der neugeborene König in der Krippe sehr von Herodes unterscheidet. Anders als der skrupellose Herodes lebt er nicht in einem Schloss, sondern wird in einer Herberge geboren. Er kleidet sich nicht in kostbare Gewänder, sondern wird in Windeln gewickelt. Die ersten Besucher seines Lebens sind nicht seit Hofstaat. Es sind Hirten, denen gewöhnlich niemand Achtung entgegenbrachte.
Das können Kinder in der Grundschule bereits erarbeiten. Im Unterricht der Sekundarstufe werden dann die Titel untersucht, die der Engel den Hirten verkündigt. Diese werden in der Nacht von einem Licht aufgeschreckt und hören (im wörtlichen Sinn) die Engel singen. Doch einer der Himmelsboten nimmt ihnen die Angst:
Heute ist in der Stadt Davids für euch der Retter geboren worden: Er ist Christus, der Herr. (Lukas 2,11) |
Es sind also drei Titel: Retter, Christus und Herr.
Zunächst zum Retter: In der Zeit Jesu behaupteten Kaiser und Könige von sich, dass sie die Retter und Friedensbringer seien. Das bestreitet der Engel. Sie sind keine Heilande. Der wirkliche Retter liegt in der Krippe. Das gleiche gilt für den Titel Herr. Die Weihnachtsgeschichte des Lukas widerspricht also dem Anspruch der Mächtigen.
Und nun zum Christus-Titel: Christus bedeutet: der Gesalbte. In der Zeit des Alten Testaments wurden Könige nicht gekrönt, sondern gesalbt. Wenn der Engel das Kind in der Krippe Christus nennt, dann gibt er ihm damit die Würde eines Königs.
Es gibt also viele Gründe, dem Königstitel Jesu religionspädagogisch nachsinnen. Eigentlich unverständlich, dass er in Glaubensbekenntnissen, in Predigten und religionspädagogischen Ausarbeitungen so selten thematisiert wird. Er gehört übrigens nicht nur in die Weihnachtsgeschichte: Auch in der Passion Jesu spielt er eine wichtige Rolle.
Jesus wurde vor den römischen Statthalter gebracht. Pilatus fragte ihn: „Bist du der König der Juden?“… Die Soldaten … flochten eine Krone aus Dornenzweigen und setzten sie ihm auf den Kopf. In seine rechte Hand gaben sie ihm einen Stock. Dann knieten sie vor ihm nieder und machten sich über ihn lustig: „Hoch lebe der König der Juden!“ (aus Matthäus 27,11-29) |
Und über dem Kreuz Jesu ließ der Präfekt eine Inschrift anbringen, aus der jeder ersehen konnte, wer da hingerichtet war. Es war Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum (INRI): Jesus von Nazareth, König der Juden.