Frage 1: Wie gehen wir mit anthropomorphen Gottesvorstellungen um?

Jüngere Schülerinnen und Schüler nutzen vielfach konkrete Bilder, um von Gott zu reden. Gott ist demnach männlich, alt, bärtig und trägt weiße Kleidung. Diese menschenähnlichen Gottesbilder sind auch noch für Jugendliche und Erwachsene von Bedeutung. Es ist nicht die Aufgabe des Religionsunterrichts, solche Gottesbilder zu erschüttern. Werden diese zu früh kritisiert, ist der Weg zu einer symbolsprachlichen Rede von Gott länger und schwieriger.

Schon im Grundschulalter können Lernende – wenn sie entsprechend angeleitet werden – einüben, metaphorisch von Gott zu reden. Der Religionsunterricht macht Angebote, deutungsoffene Gottessymbole zu erproben. Deren Aneignung gestaltet sich individuell als Modifikation bisheriger Gottesvorstellungen. Die Schülerinnen und Schüler merken selbst, wann sie menschenähnliche Gottesbilder nicht mehr brauchen.

Grundschülerinnen und Grundschüler verwechseln in der Schuleingangsphase oft noch Jesus und Gott. Das ist so, weil die religiöse Bildung für viele unserer Schülerinnen und Schüler erst in der Schule beginnt. Die Lehrperson kann das achtsam richtigstellen, wenn es nötig ist. Diese Verwechslung wird überwunden, wenn wir im Unterricht Jesusgeschichten erzählen, bedenken und deuten.

Frage 2: Warum sollen Kinder und Jugendliche ihre Gottesvorstellungen nicht malen?

Dass Gott unsichtbar ist, wissen schon die jüngsten unserer Schülerinnen und Schüler. Der Unterricht sollte sie nicht auffordern, ihre Gottesvorstellungen im Bild darzustellen. Aus drei Gründen:

Schülerinnen und Schüler äußern selbst Bedenken. Sie empfinden einen solchen Arbeitsauftrag als übergriffig, haben aber auch inhaltliche Einwände. Sie fragen, wie etwas bildlich darstellt werden soll, was doch keine sichtbare Gestalt hat. Manchmal fragen sie auch, ob es nicht verboten sei, ein Bild von Gott zu zeichnen. Sie haben rudimentäre Kenntnis vom biblischen Bilderverbot (2 Mose 20,3-5). Diese Rückfragen sind Ausdruck eines Unbehagens, das wir nicht übergehen sollten.

Ein Bild der eigenen Gottesvorstellung zu gestalten, widerspricht aber auch der oben ausgeführten Intention des Religionsunterrichts. Der Unterricht will die Kompetenz der symbolsprachlichen Rede von Gott anbahnen. Ein Malauftrag konterkariert dieses Bemühen.

Schülerinnen und Schüler insbesondere der Grundschule sind in der Regel bemüht, Arbeitsaufträge so zu gestalten, dass die Lehrperson zufrieden ist. Religionspädagogische Forschungen haben gezeigt, dass es sich bei ihren Bildern um Arbeiten handeln könnte, mit denen die Lernenden weniger ihre eigenen Ideen zu Papier bringen, als vielmehr versuchen, der vermuteten Erwartungshaltung der Lehrperson zu entsprechen.

Frage 3: Wie bahnen wir eine symbolsprachliche Gottesrede an?

Die Bibel redet in zwei Formaten von Gott: Sie erzählt Geschichten und sie nutzt Sprachbilder. Beide Wege sind unterrichtlich wertvoll. Einige Beispiele für Metaphern und Symbole: Gott ist (wie) eine feste Burg, (wie) ein guter Hirte, (wie) eine Quelle oder (wie) ein Licht auf dem Weg, ein Herr oder «Unser Vater im Himmel». Einige Überlegungen dazu:

Das sind biblische Sprachbilder. Neuere und eigene Gottesmetaphern kommen hinzu. Offene Hände, Liebe, Wärme, aber auch ein Ausrufe- oder ein Fragezeichen regen an, sie mit eigenen Inhalten zu füllen. Je abstrakter sie sind, desto offener sind sie für eigenen Deutungen. Konkretere Gottesbilder wie Burg oder Hirte stehen hingegen in der Gefahr, anthropomorphe Gottesbilder eher zu festigen.

Biblische Gottesmetaphern wirken auf Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich. Nicht jede und jeder verbindet mit dem Bild des Vaters etwas Angenehmes, manche haben Schwierigkeiten, sich Gott mit einer weiblichen Seite vorzustellen. Problematisch ist die Verwendung des Wortes Herr für Gott. Es ist mit herrschaftlichen Eigenschaften konnotiert. Der Unterricht überlässt die Verwendung der Metaphern der individuellen Entscheidung der Lernenden. Wenn die Lehrperson von Gott spricht, nennt sie ihn Gott, nicht Vater, Mutter, Herr oder anders.

Es ist nicht das Ziel des Religionsunterrichts, den Schülerinnen und Schülern die große Zahl biblischer Sprachbilder in einer Übersicht zu präsentieren. Das könnte den Eindruck erwecken, als seien alle Aussagen über Gott gleichermaßen richtig. Das aber ist dem Nachdenken über die eigene Gottesvorstellung und der Positionierung abträglich.

Frage 4: Wo wohnt Gott?

Hier gibt seit langem einen ausgezeichneten didaktischen Vorschlag von Rainer Oberthür. Das Wort Himmel hat für ihn zwei Bedeutungen. Wolken, Regen, Astronomie sowie Luft- und Raumfahrt spielen sich im Wolkenhimmel ab. Den Wohnort Gottes nennt er hingegen den Gotteshimmel. Wenn die Toten bei Gott sind, sind auch sie im Gotteshimmel.

Die Unterscheidung in Gottes- und Wolkenhimmel wird in der Grundschule eingeführt. Sie ist insbesondere hilfreich bei der Deutung von Gleichnissen Jesu: Es sind seine Geschichten vom Gotteshimmel. In der Sekundarstufe bekommt der Wolkenhimmel den englischen Namen Sky, der Gotteshimmel heißt nun Heaven. Dass der Gotteshimmel überall, also auch auf der Erde, sein kann, wird nun Thema: Die Begegnung mit dem Heiligen kann sich auch in Profanem ereignen.

Frage 5: Kann man Gott spüren oder hören?

«In Bet-El stand Gott im Traum vor Jakob und sagte: Ich bringe dich zurück in dieses Land …» (1 Mose 28,13+15). «Der Engel sprach zu den Hirten: Ich bringe euch eine gute Nachricht …» (Lukas 2,10). Woher wissen Jakob oder die Hirten von Bethlehem, wer da zu ihnen gesprochen hat? Diese Frage stellt sich nicht nur den biblischen Personen. Auch ich möchte wissen: Spricht Gott auch durch Mitmenschen zu uns? War es Gott, der uns beim Lesen eines Gedichts, während einer Wanderung oder an einem spirituellen Ort zu einer Einsicht verholfen hat? Können auch Träume zur Stimme Gottes werden? Diese Fragen können nur erfahrungsbasiert beantwortet werden. Wer solcherlei spirituellen Erlebnisse noch nicht hatte, wird kaum zu überzeugen sein, dass das Göttliche in das menschliche Leben hineinwirken kann.

Wie fanden die oben genannten biblischen Protagonisten heraus, ob es Gott selbst war, der zu ihnen gesprochen hatte? Auf zweierlei Weise: Als Jakob lange Jahre nach seiner Flucht aus Haran in die Heimat zurückkehrte, suchte er noch einmal Bet-El auf. Dort wollte er beten. Denn Bet-El war der Ort, an dem ihm die Stimme versprochen hatte, dass er eines Tages nach Kanaan heimkehren würde. Die Stimme hatte also recht behalten. Die Hirten in der Weihnachtsgeschichte entschlossen sich, in das benachbarte Bethlehem zu laufen. Und sie fanden heraus, dass es so war wie der Engel gesagt hatte: In der Herberge lag ein Kind in einer Krippe, in Windeln gewickelt. Die Hirten verschafften sich Gewissheit, ob wirklich das Göttliche zu ihnen gesprochen hatte.

Es ist also nicht immer evident, ob die innere Stimme wirklich Gottes Stimme ist. Unterrichtlich können wir dem auf folgende Weise entsprechen: In einem Erzähltext paraphrasieren wir den Satz «Und Gott sprach zu Abraham…» (1 Mose 12,1) auf folgende Weise:

Abraham ging zu Sara und sagte: Ich habe eine Stimme gehört.
Sara: Was hat die Stimme gesagt?
Abraham: Sie hat gesagt: Geh weg aus diesem Land und wandere in ein neues Heimatland, das ich dir zeigen will.
Sara: Was für eine Stimme war das, die zu dir gesprochen hat.
Abraham: Ich glaube, es war die Stimme Gottes.

Frage 6: Hat Gott einen Namen?

Nach biblischer Tradition: Ja. Bevor Jakob auf seiner Rückreise von Haran nach Kanaan das Flüsschen Jabbok durchschritten hat, wird er von einem Unbekannten überfallen (1 Mose 32,23 ff.). Es kommt zu einem Ringkampf zwischen ihm und Jakob. Als der Morgen graut, erhält Jakob einen neuen Namen. Das lässt aufmerken. Kein Mensch kann einem anderen Menschen einen neuen Namen geben! Ist er also Gott selbst begegnet? Jakob nimmt den neuen Namen an und fragt den Unbekannten nach dessen Namen. Er erhält aber keine Antwort.

Anders ergeht es Mose, der im Land Midian eine Stimme aus dem brennenden Dornbusch hört (2 Mose 3). Der Busch brennt, aber verbrennt nicht. Der da spricht, ist nicht zu sehen. Hört er da die Stimme Gottes? Sie gibt ihm den Auftrag, das Volk Israel aus der Gefangenschaft zu führen. Ja, es ist Gott selbst, der da zu ihm spricht. Mose fragt: «Wenn ich nun zu den Israeliten gehe und ihnen sage: Gott hat mich beauftragt, euch aus der Gefangenschaft zu führen, dann werden sie mich fragen: Wer ist dieser Gott? Wie ist sein Name?» Anders als Jakob erhält Mose eine Antwort: «Sage ihnen: Mein Name ist: Ich bin, der ich bin.» Ich didaktisiere diesen Gottesnamen mit der Übertragung Ich bin da. In einem anderen Blogbeitrag habe ich das begründet.

Diese Erzählung will die Erklärung eines geheimnisvollen Wortes aus vier hebräischen Buchstaben sein: יהוה, auf deutsch: JHWH. Das sog. Tetragramm («vier Buchstaben») steht immer dann im hebräischen Text des Alten Testaments, wenn von Gottes Namen die Rede ist.

Frage 7: Wie wird das Tetragramm ausgesprochen?

Am besten gar nicht, schon gar nicht als J-Wort. Auch Jüdinnen und Juden sprechen den Namen nicht aus, sie halten ihn für unaussprechlich. Der Religionsunterricht sollte nicht so tun, als wüsste er es besser. Bei der Tora-Lesung wird an den fraglichen Stellen Adonai (deutsch: Herr) gelesen. Martin Luther wählte bei seiner Übersetzung der Bibel für das Tetragramm die vier großen Buchstaben HERR. Er erinnerte damit an die vier Buchstaben des hebräische Originals und schloss sich auch der jüdischen Tradition von dessen Aussprache an. Dass das Wort Herr heute aber neue didaktische Probleme aufwirft, ist oben beschrieben worden.

Frage 8: Wie kann die narrative biblische Rede von Gott für den Religionsunter-richt fruchtbar werden?

«Ich bin da.» Passt der Name, den Mose aus dem brennenden Busch hört, zu den Gottesvorstellungen der Schülerinnen und Schüler? Unterrichtliche Erfahrungen zeigen, dass die Lernenden gerne auf dieses Sprachsymbol zurückkommen. In theologischen Nachdenkgesprächen regt es sie zu eigenen Beiträgen an.

Auch Jesus selbst wählte Gleichnise, um von Gott zu reden. Die Evangelisten erzählen die Geschichte Jesu. Narration ist das Mittel der Wahl, um eine individuelle religiöse Sprachfähigkeit in der Gottesfrage zu erwerben.

Frage 9: Warum wird das Wort Gott manchmal anders geschrieben?

Ein hochgeschätzter Kollege schreibt das Wort Gott seit vielen Jahren mit vier großen Buchstaben: GOTT. Diese Schreibweise erinnert an das Tetragramm. Neuerdings finden sich in der theologischen Literatur auch das Gendersternchen (G*tt) oder der Apostroph (G’tt). Beide Schreibweisen können darauf verweisen, dass Vokale in der hebräischen Sprache nicht geschrieben werden. Das Gendersternchen bedenkt zudem, dass das Wort Gott zwar (in der hebräischen und der deutschen Sprache) ein grammatikalisch maskulines Nomen ist, dass aber die Kategorie eines biologischen oder sozialen Geschlechts auf Gott nicht angewendet werden soll. Die Diskussion in der jüdischen und christlichen Theologie über das Für und Wider dieser neuen Schreibweisen ist noch nicht abgeschlossen. So lange kann der Unterricht die traditionelle Schreibweise Gott verwenden.

Frage 10: Kann man Gott beweisen?

Unsere Schülerinnen und Schüler ahnen es längst: Nein, ein Gottesbeweis ist nicht möglich. Diesbezügliche Versuche vor der Zeit der Aufklärung brauchen deshalb nicht länger Inhalt des Religionsunterrichts zu sein. Allein Immanuel Kants Überlegung, dass das ewige Sittengesetz, das er erkannt zu haben glaubte, einen himmlischen Gesetzgeber voraussetzt (Moralischer Gottesbeweis), lohnt eine Beratung im Religionsunterricht.

Wer gerne über die Frage philosophiert, ob Gott existiert, der sei an Blaise Pascals Wette verwiesen. Er versuchte nachzuweisen, dass es vernünftiger sei, an Gottes Existenz zu glauben, als sie zu bestreiten.