Von Schmetterling bis Schatzkiste
Der Ideenreichtum bei der Erstkommunionvorbereitung zeugt vom Bemühen, widersprüchlichen Erwartungen gerecht zu werden. Wie aber sieht eine gelungene, weiterführende Symbolik in der Eucharistiekatechese aus?
»Was macht ihr denn so in der Kommunionvorbereitung?« »Wir haben eine Schatzkiste gebaut.«
Eine kleine Umfrage in verschiedenen Gemeinden zu den Themen, die bei der Erstkommunion als roter Faden gewählt werden, bringt – in Auswahl – folgendes zutage: »Gott ist Farbe«, »Wir sind Königskinder«, »Engel«, »Schatzkiste«, »Garten«, »Schmetterling«, »Wasser«,» Jesus, mein Freund«,» Wir sind Kinder der Erde – ein Puzzleteil in Gottes Welt«.
Vielfache Herausforderungen
In der Erstkommunionkatechese trifft die außerordentlich hohe theologische Bedeutsamkeit der Eucharistie (»Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens«, LG 11) auf die harte Realität der Fremdheit gegenüber Liturgie, auf fehlende oder geringe religiöse Praxis, auf Unwissenheit und hohe Erwartungen an ein Familienfest. Dazu soll aus kirchlicher Sicht der zeitlich begrenzte Kontakt während der Katechese nachhaltig sein und »Lust auf mehr« machen.
Der Ideenreichtum der Katechetinnen und Katecheten zeugt vom Bemühen, widersprüchlichen Erwartungen gerecht zu werden und schwierige Bedingungen zu meistern. Inhaltliche Zugänge müssen erst mühsam erarbeitet, auf Vorerfahrung kann oft nicht zurückgegriffen werden. Und dann soll das Ganze für die Kinder ansprechend gestaltet sein. So wird mit Farbe experimentiert, es werden Regenbogen konstruiert, Schmetterlinge gebastelt, Globuspuzzles hergestellt. Der inhaltliche Bezug zur Eucharistie aber ist am Ende kaum noch erkennbar, muss mühsam abgeleitet werden oder gerät sogar in eine theologische Schieflage. Was lernen wir vom Schmetterling? Dass die Entwicklung von der Raupe zum Schmetterling eine Analogie zur Wandlung in der Eucharistie ist? Dass Dinge sehr verschieden aussehen können (Raupe- Schmetterling analog zu Hostie – Leib Christi) und dennoch dasselbe sind? Der Regenbogen ist im Alten Testament das Zeichen für die Verbindung von Gott und Mensch, welches wiederum auch eine Bedeutung der Eucharistie ist, aber ist es nun dasselbe oder etwas anderes? Was kann der Regenbogen zum Verständnis der Eucharistie beitragen?
Für einen Großteil der Eltern und Angehörigen ist die Liturgie der Erstkommunion einer der wenigen Anlässe, bei denen sie überhaupt eine Messe besuchen. Natürlich steht für sie das eigene Kind im Vordergrund, das vielleicht sogar noch etwas vorliest oder spricht. Schade ist es aber, wenn sich durch die inhaltliche wie die ästhetische Gestaltung des Gottesdienstes der Eindruck aufdrängt, dass es bei der ganzen Sache nur um »Kinderkram« geht, der mit dem eigenen Leben und Alltag nichts zu tun hat. Was aber wäre die Alternative? Es kann nicht darum gehen, die alljährlichen Bemühungen der Katechetinnen und Katecheten zu diskreditieren. Der Rückschritt zu einer theologischen Binnensprache, die niemand versteht und deshalb auch nicht bedeutsam werden kann, ist ebenso wenig nachhaltig wie ein ,kindgerechter, Ansatz, der theologisch nicht trägt.
Die Eucharistie, das Gemeinschaftsmahl mit Brot und Wein, ist selbst Symbol mit vielfältigen Dimensionen. Schlägt man das »Handbuch der Dogmatik« auf, so werden folgende aufgezählt: Mahlgemeinschaft, Gegenwart Jesu Christi, Wandlung, Hingabe – Opfer, Kommen des Herrn, Hinweis auf die eschatologische Vollendung des Heils, Danksagung, Gedächtnis an das Letzte Abendmahl, zentrale Feier der Kirche (Nocke 267-305). Nicht alle diese Bedeutungsebenen sind für Kinder gleich verständlich, und nicht alle können (und müssen!) zum Zeitpunkt der Erstkommunion in ihrer ganzen Tiefe vermittelt werden. Die Frage ist vielmehr: Wo bieten sich Anknüpfungspunkte an, die auf die inhaltliche Mitte der Eucharistie verweisen und gleichzeitig für Kinder wie für Erwachsene nicht nur verständlich, sondern erfahrbar sind? Wie kann man zu einer Erlebnisgestalt kommen und trotzdem das Symbol offenhalten? Braucht man zusätzliche Bilder und Symbole, um zum zentralen Symbol Zugang zu finden?
Was ist ein Symbol?
Vielleicht hilft es, sich zuerst noch einmal zu vergegenwärtigen, was ein Symbol ist. Vielfach wird es falsch verstanden, indem man etwa Symbol und Wirklichkeit gegeneinander auszuspielen versucht (»Das ist nur ein Symbol«). Symbol und Wirklichkeit sind vielmehr engstens miteinander verbunden. Das Symbol ist nicht nur ein Statthalter für eine Glaubenswirklichkeit, sondern auch Teil der Glaubenswirklichkeit. Es verweist auf eine Wirklichkeit, die letztlich in ihrer ganzen Fülle niemals zu begreifen ist. Bei Beziehungssymbolen wie z.B. einem Ehering wird dies ganz deutlich. Was ihre Beziehung wirklich bedeutet, werden auch die Ehepartner niemals ganz fassen können. Symbole haben einen Sinnüberschuss und erfordern deshalb – und das gilt besonders für religiöse Symbole – mystagogische Zugänge. Sie verweisen auf das Übersinnliche und Transzendente und eröffnen Erfahrungsdimensionen.
Nach Paul Ricoeur geben Symbole zu denken. Sie sind nicht statisch und abgeschlossen. Einerseits sind sie zwar mit einer Erfahrungswirklichkeit verbunden, andererseits aber offen. In der didaktischen Vermittlung ist es wichtig, dass diese Offenheit, die bleibende Fragwürdigkeit erhalten und nicht mit einer eindeutigen Bildsprache abgeschlossen wird. Auch im Hinblick auf eine spätere religiöse Entwicklung ist dies zentral.
Einen weiteren Hinweis bietet die Unterscheidung von Primär- und Sekundärsymbolen, wie Klemens Richter sie vornimmt: Der Mensch bzw. die christliche Gemeinde ist grundlegendes religiöses Symbol. Demgegenüber gebe es Sekundärsymbole wie Kerzen, Weihrauch, Paramente oder den Farbkanon. Vielfach wurden Zeichen aus Spielfreude auf Kosten ihrer eigentlichen Zeichenfunktion verdunkelt. Das liturgische Symbol soll ja bewirken, was im Glauben wirklich geschieht « (Richter 101). Braucht die Eucharistie Sekundärsymbole, oder verstellen diese vielleicht den Blick? Welche Symbole helfen für eine Heranführung an die Eucharistie weiter?
Einige Anstöße für eine symbolhaltige Eucharistiekatechese
1. Ein Mahl feiern
Wann ist ein Essen Festmahl? Wegen der aufwändigen Speisen oder der Dekoration? Nein. Entscheidend ist, dass es einen Anlass, eine Erfahrung, eine Geschichte gibt, etwas, das eine Feier lohnt. Wenn dies als gemeinsame Erfahrung spürbar ist, dann wird das Essen zum Festmahl und nicht nur zum Luxusdiner. Das eucharistische Mahl feiert Beziehung und stiftet Beziehung zwischen Mensch und Gott. Ein Festmahl lebt durch die Feier der Beziehung. Gottfried Bachl schreibt:
»Mein Freund oder meine Eltern laden mich ein, mit ihnen zu essen. Sie wollen mir damit zeigen, dass sie mich mögen, mit mir verbunden sind, dass wir Gemeinschaft haben. Sie haben Speisen und Getränke vorbereitet, sie tragen alles auf, und wir essen und trinken miteinander. Sie nehmen etwas anderes, um es mir zu geben, Brot, Fleisch. Gemüse, Wein, Eis und Kuchen. Kein Stück von sich selbst, aber etwas von der Welt, die sie haben. Darin erlebe ich mit großer Evidenz, dass ich nicht nur verköstigt, sondern gespeist werde. ( … ) Sie wollen ohne Zweifel sagen: ich will dir gut sein, nicht nur: ich gebe dir etwas. Woran spüre ich das? Sicher an der ganzen Atmosphäre. Auch die Erinnerung sagt mir, dass es Liebe ist, die mir entgegenkommt« (37).
2. Dankbarkeit, Geschenk, Opfer
Wie kann Christi Hingabe in der Eucharistie verstanden werden? Der Opfergedanke wird sicherlich als schwierig empfunden. Der Ausgangspunkt für den Aspekt der Hingabe könnte sein, darüber nachzudenken, wem ich mein Leben verdanke. Auf wen bin ich und wer ist auf mich angewiesen? Wie sind Menschen in mir und ich in ihnen? In Bachls oben schon zitierter Schilderung des Mahls wird dies ganz deutlich: » Der Freund, die Eltern wollen mir selbst auf diese Weise nahe sein und sich selbst hergeben. Mit dem Essen wollen sie mir selbst schmecken, in Freundschaft, Sympathie, Zuneigung« (Bachl 37).
Für Erwachsene kann ein weiterführender Gedanke sein, dass durch kein anderes Symbol wie das Essen und Trinken »der Mensch so stark an seine schwierige Lage erinnert wird, ein Esser und Trinker sein zu müssen, für alles, was ihm begegnet« (Bachl 7). Daneben hat das Teilen in der Eucharistie einen ethischen Aspekt, der daran erinnert, dass in dieses Teilen die ganze Welt hineingenommen ist.
3. Wandlung
Was wandelt sich bei der Wandlung? Jesus nimmt das Brot und sagt: »Das ist mein Leib« , er nimmt den Becher und sagt: »Das ist mein Blut.« Er sagt nicht: »Esst mich, trinkt mich.« Oder: » Verzehrt meine Reliquien« (Bachl 48). Brot und Wein »kommen dazwischen«. Dass Brot und Wein verwandelt werden, das kommt zustande aufgrund der Beziehung, die zwischen Jesus und den Seinen besteht. Mit dem ausgesprochenen Wort gewinnt diese Beziehung Gestalt.
Diese Struktur ist Grundlage der Sakramentenliturgie: Es braucht Materie (Brot bzw. Hostie) und Form (das Wort). Das Wort verwandelt, es ist performativ. Die eucharistische Wandlung ist also gerade nicht zwangsläufig, nicht in einer Entwicklung angelegt, wie dies etwa bei Raupe und Schmetterling, bei Same und Pflanze der Fall ist, sondern sie geschieht in einem Augenblick aufgrund eines bewusst gesprochenen Wortes. Theologisch ausgedrückt, reden wir bei der Wandlung nicht über die natürliche Beschaffenheit (des Weins, des Blutes), sondern über Gnade. Die Wandlung stellt die natürliche Beschaffenheit nicht infrage, sondern bescheinigt eine ganz andere Qualität: Dieses Brot ist kein Frühstücksbrötchen, weil es aufgeladen ist mit lebendiger, realer Beziehung zwischen Mensch und Gott. Deshalb ist das gewandelte Brot das Leben selbst. Hierzu gibt es Analogien, aber gerade nicht aus der Natur. »So merke ich, dass in der Mahlzeit andere Menschen in mich eingehen mit dem, was sie mir aufgetischt haben. Das rührt mich selbst an, ich werde anders« (Bachl 37-38).
4. Brot backen oder Brot teilen?
Wenn man dafür plädiert, bei der Eucharistiekatechese zurück zu den ursprünglichen Symbolen zu gehen, ist dann nicht Brot backen eine gute Idee? Gemeinsam ein Brot zu backen ist sicher sinnvoll im Hinblick auf die Sensibilisierung von Kindern für die Bedeutung und den Wert von Lebensmitteln. Was aber lernt man beim Brotbacken über die Eucharistie? Die eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Sinnlichkeit des Brotes und des Essens beim Kommunionempfang so gut wie nicht spürbar ist; zum anderen geht es doch gerade darum, zu vermitteln, dass die Hostie viel mehr ist als nur Brot. Im Zentrum der Eucharistie steht nicht das Brot – es könnte im Grunde genommen ein anderes Lebensmittel sein -, sondern neben der Wandlung das Teilen. In einer symbolischen Handlung, die sich der Eucharistie nähert, müsste also vor allem das Teilen erfahrbar werden: das biblische Teilen, durch das nicht etwas weniger wird, sondern mehr, wie bei den Speisewundern. Dabei geht es zugleich nicht nur um das Teilen von Speisen, sondern um das Mit-teilen seiner selbst als grundlegenden menschlichen Vollzug, der in der Hingabe Jesu gipfelt.
Die Liturgie der Erstkommunion
Liturgie versteht sich selbst als eine Welt wirksamer Zeichen. In der Liturgie der Erstkommunion ist es besonders wichtig, dass die Symbolik nicht äußerlich bleibt, sondern erfahrbar wird. Wenn wir von Genuss oder von. Freude sprechen, reicht es nicht aus, diese nur zu proklamieren. Wenn von Wandlung die Rede ist, muss diese spürbar sein. Wenn von Kirche gesprochen wird, ist es wenig überzeugend, wenn die Gemeinde am Weißen Sonntag zu Hause bleibt.
In der Liturgie wird auch die Symbolik des Raums und des Leibes in der Bewegung wirksam. Diese Symbolik wird zerstört, wenn Kinder und andere im Gottesdienst herumdirigiert werden, wenn sie aufstehen müssen, um jemanden durchzulassen, wenn die Regieanweisungen dominieren. Paradoxerweise erfordert gerade die feierliche Liturgie Einfachheit und Eindeutigkeit: einfache Wege, einfache Zeichen, Zurückhaltung in der Choreografie.
Eine überbordende, womöglich klar kindlich ausgerichtete Ästhetik kann das Symbol erdrücken. Die Erstkommunion ist eine Initiation. Es ändert sich etwas. Wäre das nicht ein Grund, sich von einer Kindergartenästhetik zu verabschieden und nach etwas zu suchen, das für alle Altersgruppen überzeugend ist? Sicherlich darf auch etwas Spielfreude dabei sein und das ein oder andere Sekundärsymbol. Aber: Warum muss überhaupt jedes Jahr etwas anderes gemacht werden? Es käme niemand auf die Idee, eine Krankensalbung einmal unter das Thema »Engel« und ein anderes Mal unter das Thema »Garten« zu stellen. Wenn man beim Selben bleibt, kann man Jahr für Jahr an der Verbesserung des Einfachen arbeiten.
Der Beitrag ist zuerst in nahezu unveränderter Form in den Katechetischen Blättern (KatBl 133 (2008), 184-187) erschienen.
Literatur
- Bachl, Gottfried, Eucharistie – Essen als Symbol? Zürich/Köln 1983.
- Müller, Wolfgang W, Liturgische Symbolik, in: Heiliger Dienst 53 (1999) 182-190.
- Nocke, Franz-Josef, Spezielle Sakramemenlehre, in: T. Schneider (Hg.), Handbuch der Dogmatik, Band 2, Düsseldorf 2002, 267-305.
- Richter, Klemens, Die Liturgie als Feier in Symbolen, in: Lebendige Seelsorge 3 7 ( 1986) 100-103.