Wer weiss denn schon, wer Abel war?
Gelegentlich höre ich katechetisch Tätige über Defizite bei Lernenden klagen: wenig biblisches Wissen, keine Sprache für Religiöses, kaum Erfahrungen mit gelebtem Glauben. Die Verfahren der performativen Didaktik könnten hier Abhilfe schaffen.
Einige davon konnten an der Weiterbildung ‚Religion ins Spiel bringen‘ ausprobiert werden. Zwei stelle ich Ihnen im Folgenden gerne vor.
Doch zuerst: Was ist nochmal …?
Performative Didaktik basiert auf Techniken des Psychodramas. Sie will religiöse Lernprozesse in Gang bringen und Spielräume schaffen, in denen Neues ausprobiert werden kann.
Intention
Die Lernenden sollen Religion erleben, indem sie
aktiv an einem Lernsetting teilnehmen statt passiv zuzuschauen
als Mitbeteiligte handeln statt als Aussenstehende darüber zu reden
eigene Erfahrungen sammeln und deuten
Kurz: ‚Nöd nur über Religion rede, sondern tue’!
Subjekte des Lernens
Die neuen Erfahrungen sollen ausgedrückt, analysiert, reflektiert und gedeutet werden, damit sie fruchtbar und bedeutsam werden können. Ob sie integriert werden, entscheiden die Lernenden letztlich selber. Sie sind Subjekte ihres Lernens, denn:
Performatives Lernen stellt die Lernenden und ihre Themen in den Mittelpunkt. Es wird sichtbar, was sie beschäftigt. Oder mit anderen Worten: Performative Religionsdidaktik nimmt die Lernenden ernst.
Aus der Weiterbildung ‚Religion ins Spiel bringen’ (Referent: Lothar Teckemeyer, 31.8.2017 in Zürich) illustriere ich das – wie versprochen – an zwei Beispielen:
Beispiel 1: Soziometrische Übung
Ablauf
Jede Person überlegt und äussert, was sie momentan beschäftigt (Stress, Ärger, Trauer..). Die Teilnehmenden positionieren sich bei der Person und ihrem Thema, das weiter bearbeitet werden soll. Eine Mehrheit legt das Thema fest. Die Katechetin arbeitet mit der Gruppe am Thema weiter.
Intention
Die soziometrische Übung zeigt, welche Themen beschäftigen, sie dient der Themenwahl für die Arbeit.
Beispiel 2: Triade
Ablauf
Drei Teilnehmende nehmen in einem Dreieck, gebildet aus drei Stühlen, Platz. Person A schildert das Thema. Person B vertritt die ‚Pro-Haltung, Person C die ‚Kontra’-Haltung. Es wird dreimal gespielt (argumentiert), bis alle drei Teilnehmenden jede Position einmal vertreten haben.
Intention
Die Triade hilft, sensibel zu werden für unterschiedliche Sichtweisen. Der Perspektivenwechsel regt an, Empathie und Respekt vor Fremdem zu entwickeln.
Perspektivwechsel
Weitere Spielformen wie ‚Das Stegreifspiel’ sind etwas komplexer und zeitaufwändiger. Hierbei tauchen die Spielenden zusätzlich in einen andern Kontext und/oder in eine andere Zeit ein.
Wie bei den genannten zwei Beispielen sind auch beim Stegreifspiel der Perspektivenwechsel sowie das Entwickeln von Empathie und Mitgefühl für andere Teilnehmende zentral, weiter wird das Verständnis für ‚Historizität’ geweckt und gefördert.
Fazit
Zugegeben: Es gibt einige kritische, durchaus berechtigte Anfragen an diese Form der Didaktik. Und dennoch: Performatives Arbeiten hat einiges zu bieten, weil es
den ganzen Menschen auf kognitiver, emotionaler und psychomotorischer Ebene anspricht, also die Erkenntnisse der Hirnforschung berücksichtigt, nämlich: dass Lernen dann nachhaltig ist, wenn Bewegung und Emotionen mit im Spiel sind.
Gerade weil diese Didaktik kognitiv anregt, emotional anrührt und den Körper bewegt, kann sie religiöse Erfahrungen möglich machen, für die anderweitig weder Gelegenheit noch Raum waren. Probieren Sie es aus! Und sagen Sie mir, wenn ich zu viel versprochen habe.
Literatur
- Teckemeyer, Lothar: Werkbuch Religion. Bausteine für die unterrichtliche Praxis, Göttingen 2012.
- Teckemeyer, Lothar: Lernen in Szenen. Psychodrama und Religion, Neukirchen-Vluyn 2004.
- Gärtner, Claudia: Performanz und Reflexion, Selbstinszenierung oder Differenzerfahrung. Aktuelle Herausforderungen performativen Lernens, in: Religionspädagogische Beiträge (76/2017), 50-57.