Identität heisst, in verschiedenen Lebenssituationen ein und derselbe Mensch zu sein (von lateinisch ídem „derselbe“). Es bedeutet, ein Individuum zu sein, das sich von anderen abgrenzen und unterscheiden lässt. Christliche Identität zeigt sich wiederum in unserer Verwiesenheit. Denn wir sind in unserer Individualität von Gott immer schon gemeint und getragen (vgl. Ps 8, Ps 139, Jes 43,1-7).
Doch unsere Identität war schon immer unter Druck: zwischen Schule und Beruf oder zwischen Freunden und Familie. In unserer Zeit droht sie immer stärker auseinanderzufallen: zwischen online und offline oder zwischen Natur und Kultur. In dieser Spannung gilt es, sich selbst zu sein und zu werden – und sich nicht zuletzt auch als religiös zu erkennen.
Fokus Theologie
Identität ist religiös betrachtet widersprüchlich. Die Schöpfungsgeschichte zeigt, dass die Identität des Menschen über ein festes Fundament verfügt und eine Beziehungsidentität darstellt. Als Ebenbild Gottes ist der Mensch in der Beziehung zu Gott – und mit Erschaffung als Mann und Frau in der Beziehung zu einem menschlichen Gegenüber (Gen 1-2). Erst im Du also wird der Mensch. Ein vom Anderen Abstandnehmen, sich von Gott oder den Menschen entfernen und nur sich selbst in den Blick nehmen, ist letztendlich eine Selbstentfremdung – und wird als Sünde beschrieben.
Christliche Identität ist also gefährdet, prozesshaft und fragmentarisch. Und doch ist dieses Fragmentarische völlig normal. Keine der grossen Gestalten des Christlichen zeichnete sich durch eine statische, „immer gleiche“ Identität aus – angefangen bei Paulus bis hin zu Dietrich Bonhoeffer oder Mutter Theresa. Häufig sind es Veränderungen und Krisen, die zu Wachstum führen. Christliche Identität ist letztendlich immer im Werden – sie steht in der Spannung von begonnenem aber noch nicht verwirklichtem Reich Gottes.
Fokus Kompetenz
Um seine Identität (weiter) zu entwickeln ist einerseits seine Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, der eigenen Gefühlswelt und seinem eigenen Körper entscheidend. Anderseits braucht es die Auseinandersetzung mit anderen Menschen. Menschen aus der aktuellen Lebenswelt (Freunde, Familie, «local heros») ebenso wie auch aus der Tradition und Geschichte (Vorbilder und Heilige).
Zudem kann durch biblische Erzählungen bewusst gemacht werden, wie durch die Geschichte hindurch Menschen ihr Leben in Verbindung mit und in Abhängigkeit von Gott gedeutet und gestaltet haben.
Literatur zum Weiterlesen
- Precht Richard David, Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise, München 2007 (Goldmann Verlag)
- Schweitzer Friedrich, Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung im Kindes- und Jugendalter, Gütersloh 20107 (Gütersloher Verlagshaus)
- Bernhardt Reinhold / Schmidt-Leukel Perry (Hrsg.), Multiple religiöse Identität. Aus verschiedenen religiösen Traditionen schöpfen, Zürich 2008 (TVZ)