Vom Sonnenlicht zur Kerze: Das Licht in der Kirche und in der Liturgie
Wer lässt sich vom Licht noch bewundern? In der heutigen Zeit ist das Licht selbstverständlich da. Entweder sind die besuchten Orte schon erhellt oder es gibt einen Schalter, den man an- oder ausschalten kann. Doch inwiefern behält das Licht seine unverzichtbare Rolle im Glauben, im Kirchenbau und in der Liturgie.
Ein Ursprung: Das Licht in der Bibel
Die Bibel ist «die gemeinsame Urkunde des Glaubens und des kirchlichen Lebens» (Birgit Jeggle-Merz) und erwähnt mehrmals das Licht: Gott erschafft am ersten Tag in dem ersten Schöpfungsbericht das Licht am Tag und die Nacht (Gen 1,1-5). Das Volk Israels wanderte auf dem trockenen Boden des Roten Meeres und folgte Gott in Gestalt einer Feuer- und Wolkensäule (Ex 14,22-24). Jesus, Referenzpunkt für die ganze christliche Liturgie, bezeichnet sich selbst als Licht der Welt (Joh 8,12).
Das israelitische Volk nahm das Licht als Gabe Gottes und Zeichen seiner Präsenz offenbar sehr wahr. Entsprechend widerspiegeln die Erzählungen in der Bibel den Kontrast von Tag und Nacht, was nicht zuletzt darin wurzelt, dass biblischen Autoren der Unterschied zwischen Nacht und Tag aufgrund der noch nicht erfundenen Stromversorgung wohl sehr bewusst waren. Die christliche Liturgie, die auf die Heilige Schrift stark zurückgreift, nimmt das Element des Lichtes auf.
Erhellende Kirchen
Das Licht hat nicht nur eine symbolische Funktion wie in der Heiligen Schrift. Wichtig ist auch die Beleuchtung einer Kirche: Fenster, Leuchten, Leuchter und die architektonische Gestaltung selbst bestimmen, ob eine Kirche erhellt oder dunkel aussieht. Beispielhaft ist die Ausrichtung nach dem Sonnenlicht der grossen Fenster in den gotischen Kirchen oder durch Säulen und architektonische Ausschmückungen in den barocken Kirchen. Die moderne Elektrizität vereinfacht die Frage zur Beleuchtung im Alltag sowie in allen kirchlichen Räumlichkeiten, von kleinen Kapellen bis zu breiten und aus der Perspektive der Beleuchtung herausfordernden Kathedralen. Trotz neuerer Lösungen bei der Beleuchtung erschöpft das Licht seine Bedeutung im Glaubensleben nicht.
Das Licht in der Liturgie
Viele Jahrhunderte waren die Lichtquellen neben der Sonne Fackel, Öllampen und Kerzen. Letzteres findet noch heute eine vielfältige Benutzung im kirchlichen Umfeld. Z. B. tragen Opferkerzen das persönliche Gebet vor einer Heiligen- oder Marienstatue weiter.
Die angezündete Kerze symbolisiert die Präsenz Gottes beim Beten des Einzelnen als auch bei einer gemeinsamen Feier. Das Licht der Kerzen ist ein sehr anwesender Aspekt in der Liturgie. Wenn ein Gottesdienst stattfindet, liegen mindestens zwei Kerzen auf dem Altar, die sogenannten Altarkerzen. Sie mögen die Besonderheit des Ereignisses bestimmen und die Mitfeiernden erinnern, dass Gott in der Feier da ist. Während der Vorsteher an den Altar tritt, können MinistrantInnen oder AkolythInnen (das Akolythat ist ein Dienst, in dem der/die AkolythIn dem vorstehenden Priester oder Diakon hilft) ihn begleiten und Leuchter mittragen.
Die Liturgie ist kein magischer Vollzug, in dem Gott plötzlich anwesend ist. Die Möglichkeit der Beziehung zu Gott ist immer da. Im Gottesdienst wird die Beziehung tief und erfahrbar. Das Ewige Licht, ein rotes liturgisches Gerät vor dem Tabernakel, weist auf das Angebot der Beziehung zu Gott hin. Die sich im roten Gefäss befindende Kerze oder Lampe des Ewigen Lichtes brennt tagtäglich ausser am Karfreitag und Karsamstag und versinnbildlicht die Präsenz Jesu im Tabernakel in Form von gewandelten Hostien.
Ein Beispiel: Die Feier in der Osternacht
Die Liturgie in der Osternacht zeigt klar, welche Rolle das Licht im Gottesdienst hat. Die Auferstehung Christi erleuchtet die Welt und prägt die Geschichte der Menschheit stark wie ein «point of no return». Mit der Segnung des Feuers ausserhalb der Kirche und der Anzündung der Osterkerze am Feuer beginnt die Osternachtfeier. Die Osterkerze möchte auf die Auferstehung und auf den Auferstandenen hinweisen. Der Diakon oder, wenn er fehlt, der Vorsteher haltet die Osterkerze hoch und sagt drei Mal den Ruf «Lumen Christi» oder «Christus, das Licht»; die Mitfeiernden antworten «Deo gratias» oder «Dank sei Gott». Alle Mitfeiernden haben Kerzen und zünden sie nach dem zweiten Ruf an der Osterkerze an. Der Eintritt des Diakons mit der Osterkerze und der Mitfeiernden mit ihren Kerzen in die dunkle Kirche symbolisiert, dass das Licht der Auferstehung die Dunkelheit des Todes überwindet. Später nimmt der Vorsteher die Osterkerze und stellt sie kurz in einen Behälter mit Wasser ein, um das Wasser zu segnen und Weihwasser zu haben. Das Licht Christi bleibt für immer und ewig: Die Osterkerze wird in einen Stand neben dem Altar oder dem Ambo gestellt und bleibt an den 50 Tagen der Osterzeit dort. Die Osterkerze ist ein zentrales Element bei weiteren wichtigen Anlässen wie Tauf- und Begräbnisfeiern, weil sie Christus repräsentiert.
Die Feier in der Osternacht ist ein prominentestes Beispiel für die Anwendung des Lichtes in der Liturgie. Es gibt andere liturgische Formen, in der eine Lichtdanksagung vollgezogen wird, und noch Weiteres über das Licht im Gottesdienst zu sagen. Fast immer sind die Lichtquellen Kerzen, die mehr ansagen als die Worte. Sie sagen, dass Gott immer da ist und als Liebe die Herzen der Menschen erwärmen möchte; dass Gott die Menschen nicht in der Finsternis verlässt, sondern sie von der Geburt bis zur letzten Stunde begleitet.
Dieser Beitrag ist Teil der Serie Rund um die Liturgie. Weitere Teile:
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