Da sitzen resp. stehen hunderte Menschen, weitaus mehr Männer als Frauen und singen während zwei Stunden, was die Kehle hält. Niemand von ihnen überlegt sich, ob sie singen können oder nicht – sie folgen einfach dem Herzen. Sie werden angeleitet von zwei Dirigenten auf riesigen Dirigierpodesten mit Pauken als Taktstock und Megafon anstelle des Mikrofons. Der Megachor singt Fussballhymnen und bekannte Volkslieder, oft gar mehrstimmig. Wir rundherum stimmen ein, wann immer wir können. Nur brisante Torsituationen brachten den Gesang zum Abbruch und die erhofften Goals führten ihn in frenetischen Jubel. Ich stelle mir vor, wie dieser Event nun über die Bühne gegangen wäre, ohne diese Singparty – aber das geht nicht – unvorstellbar. Der FC Basel gewann und ich habe mit meinem Gesang vielleicht auch ganz wenig dazu beigetragen.

Flow

Mit Gesang und Musik lassen sich alle Emotionen eines Menschenlebens ausdrücken: Freude, Zufriedenheit, Trauer, Wut, Hoffnung, Zweifel, Angst, Sprachlosigkeit. Seit jeher nutzt die Kirche, nicht nur der Sport, diese Gegebenheit. Das sakrale musikalische Schaffen prägte und entwickelte die Musikgeschichte bis heute. Im Singen von religiösen Gesängen trete ich in einen Dialog mit Gott. Dies erlebe ich vor allem dann, wenn ich mit anderen Menschen zusammen singe und musiziere. Und wenn der Moment kommt, wo wir Singenden und Musizierenden eins werden und ein Flow entsteht, welchen ich mit Worten nur schwer umschreiben kann, ist es einfach nur gut.  Regelmässig erlebe ich singende Menschen, welche zu Tränen gerührt, sichtlich emotional berührt und ergriffen sind. Die Musik, vereint mit dem gesungenen Wort Gottes, mit Texten um Frieden, Nächstenliebe, Zweifel, Trost und Achtsamkeit geben mir ein Gefühl der Zuversicht und des Aufgehobenseins.

Musik im Pfarreileben

Die Pfarreien können zum Gelingen gemeindebildender Musik aktiv beitragen, indem sie in gut ausgebildete und vielseitige Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker investieren. Optimal natürlich, wenn sich diese Fachleute nicht nur der Liturgiegestaltung und dem künstlerischen Schaffen hingeben, sondern sich auch auf das Pfarreileben einlassen und mit den Menschen vor Ort eine Beziehung aufbauen.

Vielfältige Anlässe zum gemeinsamen Singen

Vielseitige Mitsingmöglichkeiten in einer Pfarrei zahlen sich aus: zur Erstkommunion ein Generationenprojekt, zum Weihnachtsgottesdienst ein Angebot für ausgeprägte ChorsängerInnen, zur Mini-Aufnahmefeier ein rise-up-plus-Projektchor usw. Als Musikerin kann ich an Pfarreiveranstaltungen oder Elternabenden ein Lied anstimmen und den Menschen auf ungezwungene Art musikalisch begegnen. Wenn sie mir ihr Vertrauen schenken, singen sie vielleicht auch einmal in einem Projektangebot mit oder engagieren sich in der Elternband im Familiengottesdienst.

Worauf es ankommt

In der Planung liturgischer Sing- und Musikprojekte gilt es, den Charakter des entsprechenden Gottesdienstes zu übernehmen und in enger Absprache mit den Liturgieverantwortlichen zu stehen. Der Festtag und das Evangelium sowie natürlich die möglichen musikalischen Positionen im Gottesdienst geben in der Planung den Ton an. Je nach Anlass ist die gemeinsame Vorbereitung an einem Tisch mit den verschiedenen Mitgestaltenden sehr wertvoll (Priester, KatechetInnen, Eltern, usw.). Der Schwierigkeitsgrad der gewählten Gesänge orientiert sich an den Möglichkeiten des Chors oder der Singgruppe, schliesslich soll das Vorbereitete ja gut klingen. Oft leite ich die Gemeinde an und lade sie so ganz direkt dazu ein, bei den Gemeindegesängen den Refrain oder das ganze Lied mitzusingen und zum Beispiel bei einem Kanon sogar mehrstimmig zu klingen. Ich tue dies nicht ganz so intensiv und angetrieben wie die Tonangeber beim Fussballspiel, aber vielleicht mit derselben Überzeugung, dass Singen Grosses bewirken kann.