Die fünffache Aufgabe: Religionsunterricht und Katechese geben in einem ersten Schritt Hilfestellung, eigene Gottesvorstellungen sprachlich oder kreativ auszudrücken. Sie vermitteln sodann einen Zugang zu biblischen Sprachbildern und Symbolen und leiten, von ihnen ausgehend, zu einer lebensförderlichen Rede von Gott an. Schließlich begleiten sie die Schülerinnen und Schüler bei der Modifikation ihrer Gottesvorstellungen und fördern ihre Dialogfähigkeit mit anderen Religionen und religionskritischen Positionen.

1. Die eigenen Gottesvorstellungen ausdrücken

Zunächst ist es erforderlich, die eigenen Gottesvorstellungen, seien sich bildlich oder symbolsprachlich, zu benennen. Im Schuleingangsalter überwiegen zwar noch menschengestaltige Gottesbilder, aber schon Kinder sind in der Lage, in Metaphern von Gott zu reden, wenn sie dazu angeregt werden. Die Fachdidaktik rät schon länger davon ab, Gottesvorstellungen malen zu lassen. Es trägt nicht zur Kompetenz bei, in symbolischer Weise von Gott reden zu lernen.

Ein zielführenderer Weg ist folgender: Schülerinnen und Schüler betrachten Fotografien von deutungsoffenen Situationen: Gezeigt werden Momente der Gefahr, der Rettung, der Trauer, des Glücks, der Verzweiflung, aber auch Fotografien der Natur, Wegebilder und Fotos liebender Zuwendung, der Stille und des Glücks. Die Erschließungsfrage kann lauten: Welche dieser Bilder haben etwas mit Gott zu tun?

2. Die biblische Rede von Gott

Die Bibel spricht selten in abstrakter Weise von Gott, sondern wählt das Medium der Erzählung oder das der metaphorischen und lyrischen Sprache. Die Zahl der Metaphern, die die Bibel für Gott verwendet, ist riesengroß: Hirte, Quelle, Sonne, Burg, Hebamme, Vater, Richter, König, um nur einige zu nennen. Schülerinnen und Schüler mit dieser großen Zahl von Sprachbildern bekannt zu machen, will gut überlegt sein. Dazu mehr im folgenden Abschnitt. Dieser Beitrag schlägt einen anderen Weg vor. Er wählt eine biblische Geschichte und prüft, ob der Name, den Gott sich dort selbst gibt, ein Versprechen einlöst.

Die Geschichte vom brennenden Dornbusch (2 Mose 3,1 ff.)
Mose wundert sich, dass in der Wüste Midian ein Dornbusch brennt, aber nicht verbrennt. Als er der seltsamen Naturerscheinung auf den Grund gehen will, hört er eine Stimme, die ihn auffordert, Abstand zu halten und die Schuhe auszuziehen. Mose schließt daraus, dass die geheimnisvolle Stimme göttlich ist. Obwohl sie ihm Respekt einflößt, entwickelt sich ein Dialog zwischen ihr und ihm. Im Laufe dieses Gesprächs lernt Mose, dass Gott das Leiden des Volkes nicht gleichgültig ist, dass er ein Gott der Freiheit ist und dass er sich Moses und seines Bruders bedient, um die Gefangenschaft der Israeliten zu beenden. Mose nimmt diesen Auftrag mit Respekt an und stellt eine letzte und entscheidende Frage: «Wenn ich zu den Israeliten gehe und zu ihnen sage: ‚Gott hat mich zu euch geschickt. Er wird euch befreien‘, dann werden sie mich fragen: «Wer ist dieser Gott? Wie ist sein Name? Was soll ich ihnen dann antworten?» Die Stimme aus dem brennenden Busch antwortet: «Sage ihnen wie ich heiße. Mein Name ist: ICH BIN DA.»

 

JHWH, der unaussprechliche Gottesname: Es ist das erste Mal in der Bibel, dass Gott einem Menschen seinen Namen offenbart. Dieser enthüllt eine wesentliche Eigenschaft Gottes und wahrt doch das Geheimnis. «ICH BIN DA.» Deutschsprachige Bibeln übersetzen die Antwort aus dem Dornbusch in der Regel wörtlicher. Aus dem Lateinunterricht unserer Schulzeit wissen wir aber: Wörtlich übersetzt bedeutet nicht unbedingt gut übersetzt. In den Ohren unserer Zeitgenossen klingt das «Ich werde sein, der ich sein werde» wie eine Tautologie. Eine philosophische Wahrheit vermag ihr kaum jemand zu entlocken.

Das Tetragramm JHWH mit seinen hebräischen Buchstaben steht immer dann im hebräischen Urtext des Alten Testaments, wenn von Gottes Namen die Rede ist. Nach jüdischer Tradition wird dieser nicht gesprochen, er sollte auch im Unterricht nicht ausgesprochen werden, schon gar nicht mit dem J-Wort. Jüdische Menschen lesen an dieser Stelle «Adonai», deutsch: «Herr». Martin Luther wählte – theologisch gut begründet – die vier großen Buchstaben «HERR».

Der Name Gottes «ICH BIN DA» wird nun Programm. Während der Wanderung durch die Wüste ist Gott in Form einer Wolken- und Feuersäule da, auch bei der Rettung vor den ägyptischen Verfolgern und am Ziel der Reise, dem Land, in dem Milch und Honig fließen. Gott begleitet die, die auf ihn vertrauen, bleibt dabei stets unsichtbar, aber nahe, empathisch und in verborgener Weise proaktiv anwesend.

3. «ICH BIN DA». Symbolsprachliche Gottesrede anbahnen

Passt der Name, den Mose aus dem Dornbusch hörte, zur den Gottesvorstellungen der Schülerinnen und Schüler? Bereichert und erweitert er sie sogar? Unterrichtliche Erfahrungen zeigen, dass die Lernenden auch in anderen Unterrichtsreihen gerne auf dieses Sprachsymbol zurückkommen. In theologischen Nachdenkgesprächen regt sie zu Beiträgen an.

Natürlich ist es möglich, auch die oben genannten anderen biblischen oder weitere literarische Gottesmetaphern einzuführen, z. B. das Bild des guten Hirten. Das sollte jedoch mit Bedacht geschehen. Einige Überlegungen dazu:

- Metaphorische Gottesbilder wie Quelle, Licht, Liebe, König, Wärme und Licht, aber auch ein Ausrufe- oder ein Fragezeichen regen an, sie mit eigenen Inhalten zu füllen. Andere konkrete biblische Gottesbilder wie Burg oder Hirte stehen hingegen in der Gefahr, anthropomorphe Gottesbilder eher zu festigen.

-  Biblische Gottesmetaphern wirken auf Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich. Einige verbinden mit dem Bild des Vaters nichts Angenehmes, andere haben Schwierigkeiten, sich Gott mit einer weiblichen Seite vorzustellen. Problematisch ist die Verwendung des Wortes «Herr» für Gott. Es ist mit männlichen und herrschaftlichen Eigenschaften konnotiert.

- Die Vielfalt der biblischen Bilder könnte den Eindruck erwecken, als seien alle Aussagen über Gott gleichermaßen richtig. Das aber kann einem Nachdenken über die eigene Gottesvorstellung, dem Lernen und dem Dialog abträglich sein.

4. Religiöse Sprache ausbilden

Wie oben ausgeführt, können Kinder noch sehr menschenähnlich von Gott sprechen. Der Religionsunterricht und die Katechese haben nicht das Recht, kindliche Gottesbilder zu entmythologisieren und so zu zerstören. Vielmehr kommen sie der Aufgabe nach, eine Symbolsprache anzubieten und in theologischen Nachdenkgesprächen einzuüben. Die Lernenden entwickeln dadurch eigene Sprachbilder und erproben sie. Ist dies gelungen, werden anthropomorphe Gottesbilder mehr und mehr zur Seite gelegt. Solange aber werden sie noch gebraucht.

5. Dialog- und sprachfähig werden

Symbolisch von Gott reden zu können, ist einem Dialog zuträglich. Agnostische Schülerinnen und Schüler stoßen sich in der Regel an kindlichen Gottesvorstellungen und sind überrascht, wenn Schülerinnen kreativ und authentisch von Gott reden. Muslimische Schülerinnen und Schüler legen Wert darauf, dass Gott «einer» ist und fragen deshalb nach der Person Jesus.