Gott, Gottesbilder und Göttersimulationen
Göttersimulationen sind Computerspiele, in denen die Spielenden in die Rolle eines Gottes schlüpfen. Welche Bilder von Gott vermitteln sie? Wie nehmen die Jugendlichen diese Bilder wahr, und in welchem Verhältnis stehen sie zu ihren eigenen Bildern und zu den biblischen Bildern von Gott? Eine Unterrichtseinheit mit den Computerspielen Doodle God, From Dust und Black & White 2.
Gottesvorstellungen sind zentral nicht nur für die Glaubenspraxis und die Auseinandersetzung mit der Bibel, sondern generell für das christliche und individuelle Welt- und Selbstverständnis. Bereits früh haben Kinder Vorstellungen von Gott, die sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln (Möller 2010; Kuld 2001; Klein 2000; Fowler 2000; Hanisch 1996; Oser/Gmünder 1984). Gottesbilder werden zunächst durch das familiäre und religiöse Umfeld geprägt, dann aber auch durch die Massenmedien (z.B. Möller 2010: 43). Die Aufarbeitung von medialen Gottesbildern im Religionsunterricht ermöglicht nicht nur deren kritische Betrachtung, sondern kann auch Ausgangspunkt für die Reflexion über biblische und individuelle Gottesbilder sein. In dieser Unterrichtseinheit setzen sich Jugendliche mit Gottesbildern in Göttersimulationen auseinander.
Göttersimulationen und ihre Gottesbilder – Doodle God, From Dust und Black & White 2
Der Begriff „Göttersimulation“ (engl. god game) wird in der Computerspielszene unterschiedlich verwendet. Ich bezeichne damit Strategie-, Aufbau- oder Puzzle-Computerspiele, in denen die Spielenden die Rolle eines „allsehenden“, „allwissenden“ und „allmächtigen“ Gottes übernehmen: Allsehend, weil sie ein grosses Gebiet aus der Vogelperspektive überblicken. Allwissend, weil sie durch diverse Kanäle über die Geschehnisse in der Spielwelt informiert sind. Allmächtig, da sie weitreichende Interaktionsmöglichkeiten und grosse Freiheiten geniessen, um z.B. ein Imperium zu erschaffen und zum Erfolg zu führen. Göttersimulationen sind Unterhaltungsprodukte. Dennoch machen sie Aussagen über die Existenz Gottes und dessen Erscheinen, Wollen und Wirken.
Doodle God beispielsweise simuliert die Erschaffung der Welt. Dazu wählen die Spielenden durch Logik oder Ausprobieren jeweils zwei passende „Elemente“, um daraus ein neues Element zu kreieren. Dass Spiel zeigt nicht nur dass, sondern auch wie die Welt durch Gott entstanden ist: nicht durch Gottes Wort aus dem Nichts (creatio ex nihilo), sondern durch Mischungen von Vorhandenem – Gott erscheint als Alchemist. Ausserdem entwickelt Gott seine Schöpfung vom Einfachen zum Komplexen ständig weiter (creatio continua, vs. Schöpfung in pricipio und Deismus), selbst die Herstellung zivilisatorischer „Elemente“ wie Werkzeuge oder Maschinen wird Gott zugeschrieben. Die fortgesetzte Schöpfung ist in Doodle God aber auch eine planlose Bricolage ohne höheres Ziel oder Vorsehung – Gott ist ein Tüftler.
In From Dust ist Gott nicht ein Schöpfer, sondern die Naturgottheit eines indigenen Volkes, „Odem“ genannt. Der Odem hilft dem Volk bei der Reise durch mehrere Inselwelten. Durch Landschaftsgestaltung werden Gräben aufgefüllt, Flüsse umgeleitet, Seen trockengelegt oder Brände eingedämmt, um die Menschen zu schützen und zu wichtigen Orten zu führen, aber auch, um die Inseln durch Vegetation zum Leben zu erwecken. Gott ist ein Diener der Menschen: er wird von ihnen beschworen und kann nicht in das menschliche und kreatürliche Leben eingreifen, sondern nur die Elemente bewegen. Neben der ethnoreligiösen Thematik und dem abstrakten Gottesbild klingt auch ein alttestamentliches Thema an: Gott greift in die Natur ein (Wunder), um ein Volk durch eine ansonsten öde und tödliche Welt zu führen.
In Black & White 2 erscheint Gott ebenfalls als Führer eines Volkes, aber mit mehr Freiheiten. Durch diverse Managementaufgaben wie Gebäude bauen, Arbeiten verteilen, Armeen ins Gefecht schicken, eine mythische Kreatur erziehen oder Wunder ausführen verhilft er seinem Volk zur Vorherrschaft über andere Völker und deren Götter. Um mehr Macht und Einfluss zu erlangen, muss er die Zahl seiner Anhänger und seine Städte ständig vergrössern. Gott greift spür- und sichtbar in das Leben der Menschen ein, jede seiner Taten wird als „gut“ oder „böse“ qualifiziert. Diese frei wählbare ethische Ausrichtung „löst“ auch die Theodizeefrage: Gott ist Wohltäter oder Tyrann nach Lust und Laune.
Theologische Kritik und Bedeutung
Einige wenige AutorInnen haben Göttersimulationen – und ähnliche Aufbau- und Strategiespiele – problematisiert. Beklagt wurden Allmachtsfantasien, menschliche Überheblichkeit über Gott, Nützlichkeitsdenken anstelle von Liebe und Barmherzigkeit, die Verzerrung christlicher Religion sowie die Rechtfertigung von Gewalt (Pirner 2005, 2001; Wirth 2001; Wessely 1998; vgl. Steffen 2017a: 237-239). Solche Kritik kann Teil der religionspädagogischen Auseinandersetzung sein. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Games Räume für die spielerisch-experimentelle Aneignung und Konstruktion von Welt, Werten, Identität und Bedeutung sind (Pirner 2012). Überdies können Göttersimulationen auch als Gelegenheit genommen werden, um mögliche Bedürfnisse der Konsumierenden zu reflektieren (vgl. Pirner 2005: 270): Wird ein Gott, der wie in den Göttersimulationen unzweifelhaft in die Welt eingreift und dabei ebenso von den Menschen abhängt wie sie von ihm, im Leben und in der Kirche vermisst?
Göttersimulationen im Religionsunterricht
Die mitgelieferten Unterlagen leiten die Durchführung von vier Sitzungen (idealerweise Doppellektionen) an und unterstützen diese mit Materialien (Arbeitsblätter, Texte, Infos zu den Spielen). Alle Spiele sind von der PEGI für Teenager freigegeben (ab 12 Jahren), sind für unterschiedliche Systeme erhältlich, laufen auch auf älteren Computern und sind kostengünstig (für Doodle God und Black & White 2 sind Demoversionen erhältlich). Im Gegensatz zu Doodle God sind From Dust und Black & White 2 zwar zeitintensive und anspruchsvollere Spiele. Um dennoch einen guten Zugang zu gewährleisten, werden für die Spielphasen jeweils die ersten, einführenden Levels gewählt.
Nach einer vorbereitenden Sitzung, in der biblische und/oder individuelle Gottesbilder erarbeitet werden, spielen die SuS in den weiteren drei Sitzungen je eines der Spiele zw. 15 und 40 Minuten. Dazu erhalten sie klare Anweisungen und den Auftrag, auf die Darstellung, das Handeln und Vermögen von Gott zu achten. Die Beobachtungen werden in den anschliessend auszufüllenden Arbeitsblättern präzisiert. Die Klasse tauscht ihre Ergebnisse im Plenum aus und vertieft sie vor dem Hintergrund der erarbeiteten Gottesbilder und ggf. durch die Bezugnahme auf Themen wie Schöpfung, Natur, Wunder, Odem/Geist und Allmacht Gottes, die von den Games aufgeworfen werden. Als Abschluss der Einheit lassen sich die Erkenntnisse im Rahmen von Thematiken reflektieren, die mit Gottesbildern oft einhergehen (Nipkow 1987): Theodizee, Schöpfung, Frage nach Tod und Jenseits sowie die Kritik an Gott.
Die Unterrichtsmaterialien können von God-mode.ch heruntergeladen werden: hier klicken.
Literatur
- Fowler, Janes W. (2000): Stufen des Glaubens. Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn.
- Hanisch, Helmut (1996): „Gottesbilder. Eine empirische Untersuchung bei religiös und nicht-religiös erzogenen Kindern und Jugendlichen im Alter von 7-16“. Christenlehre-Praxis-Religionsunterricht 49, 2: 4-11.
- Heimbach, Ariane (2001): „Herr der Emotionen“. Chrismon 10: 26-33
- Henkel, Silvia; Terno, Christoph (2011): „Gottesbilder. Eine kompetenzorientierte Unterrichtseinheit für die Jahrgangsstufen 9/10“. Forum Religion 4: 8-18.
- Kelly, Kevin (1995; 19941): Out of Control. The New Biology of Machines, Social Systems and the Economic World. Basic Books: 230-257. Das Kapitel “God Games” gibt es im Internet.
- Klein, Stephanie (2000): Gottesbilder von Mädchen. Bilder und Gespräche als Zugänge zur kindlichen religiösen Vorstellungswelt. Stuttgart: Kohlhammer
- Kuld, Lothar (2001): Das Entscheidende ist unsichtbar. Wie Kinder und Jugendliche Religion verstehen. München: Kösel
- Ludwig, Angelika u.a. (2015): Gottesbilder (Villigster Medien, hrsg. v. Pädagogisches Institut der Evangelischen Kirche von Westfalen).
- Möller, Karina (2010): Persönliche Gottesvorstellungen junger Erwachsene – Empirische Erkundungen in der Sekundarstufe II im Grossraum Kassel. Kassel: Kassel University Press GmbH.
- Nipkow, Karl Ernst (1987): Erwachsenwerden ohne Gott? Gotteserfahrung im Lebenslauf. München: Kaiser
- Oser, Fritz; Gmünder, Paul (1984): Der Mensch. Stufen seiner religiösen Entwicklung. Ein strukturgenetischer Ansatz. Zürich: Benziger Verlag
- Pirner, Manfred L. (2012): „Medienweltorientierte Religionsdidaktik. Religionsunterricht neu denken“. Innovative Ansätze und Perspektiven für den Religionsunterricht (Religionspädagogik Innovativ 1), hrsg. v. Bernhard Grümme; Hartmut Lenhard und Manfred L. Pirner. Stuttgart: Kohlhammer
- Pirner, Manfred L. (2005): „Erlösermythen im Computerspiel: Götter, Heroen, Kämpfer“. Über Gott und die Welt. Religion, Sinn und Werte im Kinder- und Jugendbuch, hrsg. v. Jürgen Heumann. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH
- Pirner, Manfred L. (2001): „Messias spielen. Der Erlösermythos als Computerspiel“. Religion heute (2001), Nr. 48: 260-262
- Steffen, Oliver (2017a): Level Up Religion. Einführung in die religionswissenschaftliche Digitalspielforschung (Religionswissenschaft heute 11). Stuttgart: Kohlhammer
- Steffen, Oliver (2017b): Gamen mit Gott. Wo sich Computerspiele und Religion begegnen. Zürich: pano
- Wessely, Christian (1998): „Götter mit kleinen Fehlern – mythologische Aspekte von Computerspielen“. Spektrum der Wissenschaft 12: 112
- Wiemker, Markus; Wysocki, Jan (2014): „‚When people pray, a god is born… This god is you!‘ An Introduction to Religion and God in Digital Games“. Online. Heideberg Journal of Religions on the Internet 5/2014: 197-223
- Wirth, Elizabeth (2001): „For mine is the kingdom …: playing God with computer games“. Regeneration Quarterly 7, Nr. 3: 21-23
Dieser Beitrag ist Teil der Serie Digitales Lernen. Weitere Teile:
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