Das Buch als Leitmedium in Bildungsszenarien!?

Ob in der Schule, in Fort- und Weiterbildungskursen oder im Hochschulsektor: noch immer beherrschen gedruckte Bücher die Bildungslandschaft. Betrachtet man jedoch den gesellschaftlichen Leitmedienwandel, etwa wie Giesecke, so zeigt sich, dass sich unterschiedliche Epochen ausmachen lassen. Jede dieser Epochen wird durch sogenannte Medienrevolutionen eingeleitet, die ein spezifisches Leitmedium hervorbringen. Errungenschaften der vorausgehenden Epoche gehen dabei keinesfalls verloren, sondern wandeln sich in tradierte Kommunikationssysteme. Giesecke spricht hierbei von natürlichen und unnatürlichen Sprachen bzw. Systemen (vgl. Giesecke 1992, 36f.). Als natürlich wird immer das gewohnte System gesehen, als unnatürlich dahingehend die Neuentwicklung. Es entsteht somit ein Kreislauf, in dem aus der Neuentwicklung das tradierte System wird. Besonders stark zeigt sich dies in den aktuellen Generationen: den „Boomern“, Generation X, Generation Y und Generation Z. So waren Massenmedien, wie das TV, Radio, Bücher und Zeitungen Teil des natürlichen Systems der „Boomer“ und das unnatürliche System der elektronischen bzw. digitalen Medien wurde von diesen geschaffen. Sie ebneten für Generation X den Weg hin zu neuen Leitmedien: Kassettenrecorder, CD-Player und Mini-Disc-Player. Wohingegen für die Millenials beides Teil ihres natürlichen Systems war: zwischen Kassettenrecorder und MP3-Player, zwischen Atari-Konsolen, ersten Pentium PCs und 56k-Modems. Für Generation Z hingegen sind digitale Medien Teil ihrer natürlichen Sprache: das Internet, als „Social Web“, existiert für sie seit Anbeginn ihres Lebens. Sie bewegen sich anders durch die Welt, das Lernen verändert sich und damit auch der Zugang zu Lernmitteln.

In all jenen Epochen hat sich ein Bereich kaum gewandelt: der Buchdruck.

Das Buch unterscheidet sich maßgeblich von der Art, wie im Internet kommuniziert und sich informiert wird: Ein Buch verfügt über keine Such-Funktion, hat keine Hyperlinks, Markierungen lassen sich nur schwer rückgängig machen, eine Neuordnung der Seiten ist kaum möglich. Der Inhalt ist nur so aktuell, wie das Druckdatum, heterogene Lerngruppen müssen mit demselben Werk arbeiten, eine Individualisierung und Differenzierung ist kaum möglich.

Das digitale Schulbuch auf dem Vormarsch?

Selbstverständlich gibt es nun neben den gedruckten Werken inzwischen auch eBooks – eBook-Reader und auch das Bereitstellen von PDFs über Lernplattformen etabliert sich zunehmend.
Doch das Medium Buch befindet sich jetzt erst gerade in einem digitalen Transformationsprozesse. Wird es angesichts der digitalen Potentiale ein „Buch“ bleiben?

Einige Einblicke für das Fach Ev. Religionslehre

Der Klett-Verlag bietet bei seinen Unterrichtswerken zusätzlich die Möglichkeit über einen Nutzer-Schlüssel das Buch in elektronischer Form online zu erhalten und auf einer Plattform im Internet abrufen. Zum damaligen Zeitpunkt war dies etwa MeinKlett und die übergreifende Plattform Digitale Schulbücher des Verbands Bildungsmedien, welche im November 2017 eingestellt und durch Bildungslogin abgelöst wurde. Bei Cornelsen ist es beim Lehrerhandbuch möglich, Zusatzmaterial, wie Arbeitsblätter u.v.m., über eine beigelegte CD-Rom zu nutzen. Seit März 2017 verfügen diese auch über eine digitale Plattform scook […] Alle E-Books des Cornelsen-Verlags, die auf scook hinterlegt sind, können auch im Bildungslogin aufgerufen werden. Der Calwer-Verlag und Diesterweg boten diese Möglichkeiten bei dem Religionsbuch SpurenLesen nicht; das damals neu erschienene Kursbuch 1 kann hingegen zusätzlich über Bildungslogin als digitales Schulbuch erworben werden. Zudem bieten sie mit dem Kursbuch Religion für Berufliche Schulen digitales Zusatzmaterial zusätzlich zum Buch auf ihrer Verlagshomepage zum Download an.

„Die Distributionswege von Unterrichtswerken sind demnach gerade in einem Umbruch hin zu einem zusätzlichen digitalen Format, wobei die Printversion zweifelsohne immer noch vorherrschen zu scheint und das Kernprodukt darstellt. Ein einheitliches digitales Distributionssystem, also ein Standardformat, ließ sich zum damaligen Zeitpunkt“ (Palkowitsch-Kühl 2017, S. 250) als auch heute noch nicht festmachen, wobei die Plattform Bildungslogin bereits einige Schulbuchverlage unter einem Dach versammelt: C.C. Buchner, Cornelsen Verlagsgruppe, Ernst Klett Verlag, Ernst Klett Verlag, Verlag Handwerk und Technik, Helbling Verlag, Merkur Verlag Rinteln und die Westermann Verlagsgruppe (u.a. mit Diesterweg) (vgl. VBM Service GmbH 2018).

Um dieses Kernprodukt wurden in den Jahren nach der Erhebung zusätzliche Plattformen formiert und erneuert, die der Nutzerin und dem Nutzer Zusatzmaterialien auf digitalem Wege anbieten, sodass beinahe jeder Verlag ein solches Angebot auffährt. Als Beispiel sei hier die BiBox als Nachfolger von Rund um Online des Westermann-Verlags benannt, welche in Bezug auf das Kursbuch Religion ebenfalls ein digitales Schulbuch und darüber hinaus (den Lehrerband mit didaktisch-methodischen Hinweisen) 135 Arbeitsblätter (als PDF- und Worddatei) und 28 Bilder enthält, über die beispielsweise Arbeitsblätter digital mit Schülerinnen und Schülern geteilt werden können. Der Klett-Verlag bietet mit dem eBook-Pro ein System an, welches neben dem Schülerbuch in digitaler Form auch multimediale Anreicherungen beinhaltet, die Interaktivität einfordern, wie etwa Lückentexte und Quizze.“ (Palkowitsch-Kühl 2018, S 359-360).

Daneben zeigten sich auch Player auf dem Markt, die abseits traditioneller Verlagshäuser digitale Schulbücher entwickelten. Zum einen, der wohl bekannteste: das mBook für Geschichte. Es ist das erste multimediale Schulbuch für das Fach Geschichte und umfasst die Lerninhalte der Sekundarstufe 1. Sochatzky sieht insbesondere in der dargebotenen Form ein überaus großes Potential:

„Eine Möglichkeit, Schüler dazu zu befähigen und zu ermutigen, eigene Fragen […] zu stellen, besteht darin, ihnen Material anzubieten, das zur Erweiterung, Vertiefung, aber auch zum Widerspruch anregt. Diese Auswahl kann und sollte in multimedialen Schulbüchern von größerer Vielfalt und Multiperspektivität sein, schon allein, da praktisch keine Seitenbeschränkung auf Grund von Druckkosten entsteht.“ (Sochatzy 2015, 47)

Das Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) entwickelte ebenfalls ein Buch auf Grundlage eines proprietären Systems in den Jahren 2014-2017, das BioBook-NRW, welches ebenfalls als Lernmittel zugelassen wurde. Mehr Informationen finden Sie hier. Ein Religionsbuch für Bayern in Zusammenarbeit mit dem Claudius Verlag ist bereits in Entwicklung.

Digitale Bücher selbst gestalten!

Zugegebenermaßen helfen vorgegebene Bücher den Inhalt einer Stunde zu strukturieren. Sie geben Arbeitsaufträge und einen – zumeist am Lehrplan und den zu erwerbenden Kompetenzen orientierten – Rahmen. Jedoch bleiben diese immer fremdbestimmt und die Perspektive der Lernenden fließt nur gelegentlich bis kaum darin ein. Bei digitalen Schulbüchern gibt es die Möglichkeit selbst Autor bzw. Autorin zu werden und ein ganz eigenes Buch – gemeinsam mit den Lernenden – zu entwickeln. Hierfür möchte ich Ihnen kurz drei Tools vorstellen: Book Creator, iBooksAuthor und Kotobee Author.

Book Creator

Die Software wird im Google Chrome-Browser als Web-App zur Verfügung gestellt und kann ebenso im Safari-Browser geöffnet werden. Via Drag & Drop sowie dem Hinzufügen von Inhaltselementen wie Bilder, Videos, Tonaufnahmen, Webeinbettungen (z.B. Google-Maps, YouTube-Videos, LearningApps etc.), Stifteingabe uvm. können die Seiten gestaltet werden. Durch die Einbettung interaktiver Elemente, wird es erst interaktiv. Eine andere Option ist es, das Buch nicht als fertige Datei zur Verfügung zu stellen, sondern die Lernenden das Buch ganz nach ihren eigenen Vorlieben gestalten zu lassen. Für das Forschungsprojekt RELab digital an der Universität Würzburg haben wir ein Buch entworfen.

Zusätzlich gibt es die Option Comic-Felder einzubetten, wodurch sich auch spielend leicht mit den dazugehörigen Sprechblasen und Effektfeldern Comics verwirklichen lassen.

Über einen kostenpflichtigen Account lassen sich Lernende gemeinsam zu einem Projekt einfügen, sodass alle an einem Buch in Echtzeit arbeiten.

Book Creator gibt es auch für das iPad als APP, bei der alle Daten lokal auf dem Gerät gespeichert werden.

iBooksAuthor

Apples eigenes Programm zur Erstellung von eBooks stellt das Profi-Tool iBooksAuthor dar. Es ist jedoch dadurch limitiert, dass es nur auf MacOS distribuiert wird. Über sog. Widgets lassen sich interaktive Elemente einpflegen.

Kotobee Author

Für MacOS und Windows existiert noch Kotobee Author. Damit lassen sich ebenfalls eBooks, aber auch ganze WebApps, Smartphone- und Tablet APPs aus den Büchern erstellen. Es ist recht komplex, die Ergebnisse lassen sich jedoch sogar in bestehende Lernmanagementsysteme einbetten.

Für den Anfang dürfte es ausreichen, sofern die Datenschutzbestimmungen es zulassen (Hosting auf US-Servern; Chrome-Browser), mit Book Creator ein Buch zu erstellen, da dies sehr leicht von der Hand geht und zugleich professionelle Endprodukte ermöglicht.

Das Internet als Religionsbuch

Manfred Spieß schlägt vor, das gesamte Internet als eine Quelle unzähliger Informationen der Religionsgemeinschaften zu nutzen: „Die christlichen Kirchen stellen im Internet eine Fülle von didaktisch nutzbaren Inhalten und Materialien zur Verfügung. Dadurch bieten sie den Unterrichtenden und den Lernenden auf direktem Weg Zugang zu einschlägigen Informationen.“ (Spieß 2018, 26). „Die Nutzung solcher Internetquellen bietet neben der großen Materialfülle auch pädagogisch weitere Chancen. Es entstehen neue Arbeitsformen in der Schule; Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit wird zur „Forschertätigkeit“ und die Selbstständigkeit der Lernenden wird gefördert.“ (Spieß 2018, 26).

Schlussbetrachtungen

Lernende können in die Gestaltung der Lehr- und Lernmittel aktiv mit eingebunden werden. Vielleicht kann jede/r Lernende sein/ihr eigenes individuelles Buch entwickeln, im Sinne eines Portfolios. Die Grenze zwischen Buch und Portfolio bzw. eigenem Heft verschwimmen. Digitale Schulbücher können immer upgedatet werden, d.h. der Lernende kann eine neue Seite einfach an alle Lernende verteilen und digitale Medien werden sinnvoll im Lernsetting integriert. Andererseits hängt diese Methode immer auch von der funktionierenden Technik ab und benötigt zumindest einmal Strom. Es benötigt eine andere didaktische Einbettung und verlangt dem Lehrenden technische und medienpädagogische Kompetenzen, neben den fachlichen.

Aber wieso es nicht einfach einmal ausprobieren, indem beispielsweise jede/r Lernende eine Seite zu einem Feiertag im Kirchenjahr erstellt und am Ende ein gemeinsames digitales, multimediales und interaktives Buch zum Kirchenjahr entsteht?