Ist Gottesdienst-feiern eine „Kompetenz“?

Kann man Liturgie lernen? Ist es eine verfügbare und erlernbare Fähigkeit, um Gottesdienste aktiv mitzufeiern und zu gestalten? Ist sie das im Sinne eines Lehrplans, der ein Können ins Zentrum stellt, zu dem Wissen, Wollen und Anwenden gehört (LeRUKa 15)? Man kann Liturgie- und Gottesdienst-feiern nicht nur lernen, man muss es lernen. Es gibt nur wenige angeborene Fähigkeiten, z.B. die zu sprechen – die Sprache selbst ist nicht angeboren, sondern eine kulturelle Leistung einer bestimmten Sprachgemeinschaft. Alte und neue Gottesdienste sind Teil einer Gemeinschaft, der Kirche, mit einer grossen Vielfalt von kulturellen Ausdrucksformen.

Ein Kosmos von Zeichen, Worten und Handlungen

Einige liturgische Ausdrucksformen sind biblisch verwurzelt wie z.B. die Worte Amen, Halleluja, Hosanna. Andere sind im Laufe der Jahrhunderte entstanden wie z.B. die Feste, die liturgischen Farben, der Friedensgruss. Vergleichsweise junge Gottesdienstformen wie Kinder-, Jugend-, Familiengottesdienste, Frauenliturgien oder Töffsegnungen – um nur ein Beispiel für den grossen Bereich der Segnungen zu nennen – schöpfen aus dem bestehenden Schatz von Zeichen, aus der Fülle der Gebete und fügen hier und da Neues hinzu. Alles das ist Teil eines Lernprozesses, zu dem nicht nur Wissen, sondern mehr noch Wollen als Haltung und Anwenden als Fertigkeit gehören.

Was ist überhaupt Liturgie?

Das Wort Liturgie/Leitourgia stand in der griechischen Antike zunächst für einen Dienst am Volk, z.B. ein gesponsertes Theaterstück, dann für den Dienst des Volkes vor Gott, den Kult. Im NT selten (z.B. Apg 13,2) wird es in den ersten Jahrhunderten für den Gottesdienst verwendet, schliesslich auf die Eucharistiefeier eingegrenzt (so bis heute in den Ostkirchen), im Westen dann aber bis ins 16. Jh. nicht mehr verwendet.

Liturgie – theologisch

Im 20. Jh. wird der Begriff zunehmend theologisch gefüllt: Liturgie ist ein Begegnungsgeschehen zwischen Gott und Mensch, also Gottes Dienst an den Menschen und der Dienst der Menschen Gott gegenüber. Sie feiert das, was Gott den Menschen in der biblischen Urzeit geschenkt hat, als hier und heute für uns gegenwärtiges Ereignis – insbesondere den österlichen Übergang Jesu vom Kreuz zur Auferstehung, vom Tod zum Leben (das so genannte Pascha-Mysterium). Das ist die innere Mitte aller liturgischen Feiern. Der österliche Schritt vom Tod zum Leben, vom Dunkel zum Licht, der Weg in das Freisein in Christus und die Freude sollte auf die eine oder andere Weise zu jeder liturgischen Feier gehören. Das Entzünden der Kerze am Adventskranz ist mehr als ein x-beliebiges Ritual, weil es Zeichen ist für den, der im Advent erwartet wird: Jesus Christus, das Licht der Welt.

Liturgie und (christliches) Leben

Die Eucharistie als Feier zu seinem Gedächtnis steht als „Quelle und der Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (Lumen Gentium Nr. 11) im Zentrum. Liturgie ist so zugleich gefeierter Glaube und Stärkung des Glaubens – individuell-persönlich und gemeinschaftlich-kirchlich. Und Liturgie und Leben lassen sich nicht trennen – nach der Feier beginnt der Gottesdienst des Lebens und das Leben wird z.B. durch die Fürbitten in die Liturgie hineingenommen.

Messe und mehr als Messe

Wenn man Liturgie und Gottesdienst so versteht, ist das viel mehr als Messe. Das Feld liturgischer Feiern reicht von der Eucharistie als Mitte über die Sakramente, Segensfeiern, Wortgottesdienste bis zu Andachten und neuen Feierformen (vgl. Schema Bereiche der Liturgie). Liturgie ist auch mehr als das, was in offiziellen liturgischen Büchern steht. Das würde eher einem kirchenrechtlichen Liturgieverständnis entsprechen.

Learning by doing und aktive Teilnahme

Es gibt in der Liturgie also viel zu entdecken und zu lernen! Wie geschieht das? So wie Lernen immer am nachhaltigsten ist, wenn man etwas selber tut. Das gilt auch für die Liturgie. Das geht wunderbar zusammen mit einem Grundwort der Liturgiekonstitution (vgl. dazu den Infokasten zur Liturgiekonstitution am Ende des Artikels), der aktiven Teilnahme. Menschen – Kinder, Jugendliche, Erwachsene – lernen Liturgie durch aktive Teilnahme an den unterschiedlichen gottesdienstlichen Feiern. Die Art der Aktivität wird je nach Alter sehr unterschiedlich sein: kleine Kinder z.B. schauen, sie empfinden den Rhythmus der Musik, sie ahmen nach, was sie sehen. So üben sie das Kreuzzeichen vielleicht bevor sie um seine Bedeutung wissen, verstehen es mit ihrem Körper und nehmen damit schon eine liturgische Haltung ein.

Gestalten und Gestalt annehmen

Zum Lernen durch Tun gehört auch das Lernen durch das Vorbereiten, Mitgestalten und je nach Alter durch das Übernehmen einzelner Aufgaben in der Feier. Es setzt Verstehen voraus, das mehr ist als kognitives Wissen, die Kenntnis unterschiedlicher Möglichkeiten der Umsetzung, also Fertigkeiten, und ein Wollen beziehungsweise eine Haltung. Wenn Liturgie die Feier des Glaubens ist, dann geht die Frage der Haltung über in die nach der christlichen Spiritualität (Kompetenzbereich F), ja nach dem christlichen Glauben.

Liturgisch gebildet durch das Wirken des Geistes

Lernen im Sinne von Bildung nähert sich dann wieder seiner ursprünglichen Bedeutung bei Meister Eckhart: Das Bild Christi in jeder Einzelnen, jedem Einzelnen nimmt immer mehr Gestalt an. Die Liturgie sollte ein Ort solcher Bildwerdung sein. Die Katechese übernimmt dann allerdings ein anderer, der Heilige Geist: «In der Liturgie bildet der Heilige Geist den Glauben des Gottesvolkes.» (Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 1091) Die Kompetenz zum Feiern des katholischen Glaubens kann und soll pädagogisch initiiert werden, alles andere darf dem Wirken Gottes überlassen werden. Das entlastet.

Liturgiekonstitution

Das Zweite Vatikanische Konzil hat 1963 als erstes Dokument die «Konstitution über die heilige Liturgie» (kurz: Liturgiekonstitution) verabschiedet. Entsprechend ihren Anfangsworte «Sacrosanctum Concilium» (deutsch: das Heilige Konzil) wird sie meist SC abgekürzt. Die Liturgiekonstitution ist das Ergebnis einer zugleich geistlichen, theologischen und erprobenden Erneuerung aus den Quellen der Liturgie in der so genannten liturgischen Bewegung. Sie eröffnete zugleich den Weg zu einer umfassenden Reform aller Bereiche der Liturgie. Die Liturgiekonstitution ist das wichtigste kirchliche Dokument über die Liturgie der katholischen Kirche.

In sieben Kapiteln behandelt die Liturgiekonstitution allgemeine Grundsätze zur Erhebung und Förderung der Liturgie (1), das Geheimnis der Eucharistie (2), die übrigen Sakramente und Sakramentalien (3), das Stundengebet (4), das liturgische Jahr (5), die Kirchenmusik (6) und sakrale Kunst, liturgisches Gerät und Gewand (7).